Zwischenbericht GoSlowkal –
Herausforderungen einer regionalen Wertschöpfungskette

1. Zwischenbericht 

Inhaltsübersicht (klicken um zur jeweiligen Überschrift zu springen)

Die Idee und das Ziel

GOSLOWKAL ist ein von der Region Hannover auf Basis der „Richtlinie zur Förderung regional bedeutsamer Klimaschutzvorhaben“ (Leuchtturmrichtlinie) gefördertes Projekt der Atelier Ernährungswende gUG (AEW).

Ziel des Vorhabens ist es eine umfassend nachhaltige vertikale Kooperation zu verwirklichen. Sie soll sich von der biologischen Saatguterzeugung über den Anbau und die Verarbeitung bis zum Konsum von ökologisch erzeugten Rohstoffen und daraus hergestellten Lebensmitteln in der Region und dem Umland von Hannover erstrecken. Dabei soll aktiv zum Klima- und Ressourcenschutz sowie zur Anpassung an den Klimawandel beigetragen werden. Die Kooperation soll dem Zweck dienen: 

  • Bedingungen zu schaffen, die es den Akteur*innen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette ermöglichen, ressourcenschonend, klimagerecht und existenzsichernd zu wirtschaften  
  • regionale, transparente und resiliente Strukturen zu entwickeln, die der Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln dient und die den Erfordernissen der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung sowie dem Aktionsplan Ökolandbau Niedersachsen entsprechen
  • Verbraucher*innen aller Altersstufen – exemplarisch über die Vermittlung von Know-how entlang der konkreten Wertschöpfungskette ‚Bio-Getreide, Mehl und Brot‘ – die Zusammenhänge von Ernährung und Klimaschutz näher zu bringen. Damit soll insgesamt der Wandel von Konsummustern, hin zu einer Ernährung die den „Grundsätzen für Nachhaltige Ernährung“ entspricht, gefördert werden

Die Ausgangssituation 2021 vor Beginn des Projektes  

Der Grundstein für eine regionale Wertschöpfungskette wurde bereits 1988 gelegt. In diesem Jahr begann – zuerst noch als formloser Zusammenschluss mehrerer ökologisch wirtschaftender Betriebe in der Region Hannover-Hildesheim-Braunschweig – die Belieferung von Handwerksbäckereien in der Region mit Bio-Getreide und Bio-Mahlerzeugnissen. 1993 wurde dem Zusammenschluss eine wirtschaftliche Form gegeben und die Erzeugergemeinschaft „Getreide-Anbietergemeinschaft Wendhausen w.V.“ (GAW) eingetragen. 

Zu einer negativen Veränderung der Vermarktungssituation für diese regionale Lieferkette für Bio-Getreide kam es ab 2017. Ursache war die Insolvenz eines langjährigen Hauptabnehmers der GAW im Sommer 2017. Darüber hinaus führte die kurzfristige Stilllegung der Mühle Gebrüder Kassel GbR in Haverlahr, die bis Herbst 2018 als Lohnverarbeitungsbetrieb Bio-Getreide aus der Region, u.a. der GAW vermahlen hatte, zur Einstellung der Belieferung von Handwerksbäckereien mit regional erzeugtem Bio-Getreide.

In unmittelbarer Nähe von Hannover befindet sich keine Mühle mehr, die das Getreide der Erzeugergemeinschaft – den Anforderungen regionaler Bio-Strukturen entsprechend – hätte vermahlen können. Die Suche nach einer Mühle im weiteren Umland, Gespräche mit Müllerei-Expert*innen sowie Vorplanungen zum Bau einer neuen Mühle, verliefen bis Anfang März 2021 ohne positive Ergebnisse. 

Initiiert und verfolgt wurde die Suche nach einer Alternative durch den unabhängigen Berufsverband Die Freien Bäcker e.V., namentlich Anke Kähler und Peter Plaumann. Mit der Gründung der Atelier Ernährungswende gUG, durch den alleinigen Gesellschafter Die Freien Bäcker e.V., konnten die Aktivitäten gebündelt und ein Förderantrag zur Unterstützung und Moderation des Wiederaufbaus von regionalen Strukturen unter Berücksichtigung der Herausforderungen des Klimawandels gestellt werden.

Der Titel des Projektes GOSLOWKAL verdeutlicht die Zielsetzung der Arbeit. GOSLOWKAL, eine deutsch/englische Wortmixtur, steht mit ‚GO LOKAL‘ für den Erhalt und Aufbau nachhaltiger, lokaler/regionaler Strukturen im Bereich der Erzeugung, Herstellung und des Konsums von Getreide, Mehl und Brot. Das Wort ‚SLOW‘ für die Zeit die – bei Berücksichtigung der natürlichen Prozesse – elementar ist für die Erzeugung, Herstellung und den Genuss guter, bekömmlicher Lebensmittel.  Dies umfasst beispielsweise die Entwicklung von Getreide im Zuchtgarten, den natürlichen Reifeprozess des Korns bis zum richtigen Erntezeitpunkt, die Reifung des Mehls nach der Vermahlung wie auch die lange Führung von Sauer- und Vorteigen in der Backstube.


Entwicklung von Backwaren aus biologisch gezüchteten Sorten und heterogenen Weizenpopulation ist Teil einer Anpassungsstrategie der Wertschöpfungskette Speisegetreide an den Klimawandel
©Die Freien Bäcker e.V.

Aktueller Zwischenstand

Folgende Zwischenziele im Rahmen des Projektes wurden auf den einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette bisher erreicht:

  1. Stufe – Saatgut/Landwirtschaft

Auf den beteiligten Höfen wurden im Herbst 2021 biologisch gezüchtete Getreidesorten sowie heterogene Weizenpopulationen ausgesät. Ein Weiterbildungsseminar zur biologischen Züchtung sowie zum Einsatz biologisch gezüchteter Sorten und Populationen wird im 1. Quartal 2022 stattfinden. Für den Sommer 2022 wird ein Seminar zum Thema Förderung der Bodenfruchtbarkeit geplant. 

  1. Stufe – Infrastruktur

2.1. Weiterentwicklung der Erzeugergemeinschaft – Die Einbindung weiterer Bio-Erzeugerbetriebe in den Zusammenschluss GAW hat begonnen.

2.2. Inbetriebnahme eines provisorischen Zwischenlagers für das Bio-Getreide in der Nähe der Mühle wurde vollzogen.

2.3. Zu Beginn des Jahres 2022 wurde die AG Infrastruktur gegründet, da die z.T. fehlenden Trocknungs-, Lager- und Reinigungskapazitäten auf den Höfen einer der wesentlichen, beschränkenden Faktoren ist. Ebenso fehlen in der Getreidemühle Erich Sack Lagerkapazitäten für das Bio-Getreide sowie die Bio-Mahlerzeugnisse, da diese Rohstoffe getrennt von der konventionellen Ware gelagert und verarbeitet werden müssen. Die Aufgabe der AG ist, einen geeigneten Ort für die Lagerung und Aufbereitung der Rohware in der Nähe der Mühle zu finden. Zwei Alternativen werden derzeit geprüft. Diese Zentralisierung dient insbesondere auch der Reduzierung von Transportwegen.

  1. Stufe – Vermahlung

Die Teil-Umstellung der Getreidemühle Erich Sack (www.getreidemühle-sack.de) in der Ökomodellregion Harzvorland/Harz wurde abgeschlossen. Die Bio-Zertifizierung ist erfolgt. Die Entwicklung eines zeitgemäßen Qualitätsbewertungsschemas wurde gestartet und wird weiterentwickelt.

  1. Stufe – Bäckereien

4.1. Die Umstellung der Brot- und Backwarenherstellung einer Filialbäckerei in Hannover auf die Verarbeitung des ökologisch erzeugten Getreides aus der Region hat begonnen. Die Bio-Zertifizierung ist erfolgt.

4.2. Die Kontaktaufnahme mit einer zweiten Filialbäckerei im Raum Hannover und die ersten Probebelieferungen sind erfolgt.

4.3. Eine gemeinsame Gebäckentwicklungsgruppe mit den beiden oben genannten Bäckereien wurde durch die Atelier Ernährungswende gUG initiiert und wird begleitet.

4.4. Mit weiteren Bäckereien fanden Gespräche statt, um sie nach der Ernte 2022 in die entstehende Wertschöpfungskette einzubinden. 

5.Stufe – Verbraucher*innen

Im Januar 2022 fanden Workshops mit Mitarbeiter*innen von zwei Handwerksbäckereien in Hannover aus Verkauf und Produktion statt. Ziel ist, die Bedeutung des Anbaus und der Verarbeitung von heterogenen Weizenpopulationen, als Anpassungsstrategie an die Folgen des Klimawandels, an Verbraucher*innen zu vermitteln. Der Fokus der Kommunikation liegt insbesondere darauf, dass die natürliche Vielfalt, die aus der genetischen Unterschiedlichkeit der einzelnen Pflanzen einer Weizen-Population entsteht, das Risiko von Ernteausfällen bei extremen Wetterereignissen oder Befall durch Schaderreger verringert.


Die Situation im Allgemeinen

Ein besonderes Augenmerk liegt z.Z. auf der Situation der ökologisch wirtschaftenden Höfe und dem Zusammenschluss in der GAW. Derzeit ist die neu entstehende Wertschöpfungskette noch von Provisorien auf verschiedenen Stufen geprägt, welche zu einem erheblichen Mehraufwand sowie unnötigen Qualitätsverlusten führen.

Im Bildungsbereich stehen erste Themen fest (Ökologische Züchtung, Kurs Boden/Bodenfruchtbarkeit/regenerative Landwirtschaft) und es wurde Kontakt zu potentiellen Referent*innen aufgenommen.   

Die Öffentlichkeitsarbeit, Erstellung eines Logos, einer Website, Infoveranstaltungen für Verbraucher*innen sowie die Durchführung von Weiterbildungsveranstaltungen für die Landwirt*innen sind in Vorbereitung.

Zusammenfassen lassen sich die Erfahrungen der ersten Monate wie folgt darstellen: Wie bei anderen Projekten, weist auch das Projekt GOSLOWKAL auf die Notwendigkeit hin, eine “kommunale Strategie zur Förderung und Beschleunigung des landwirtschaftlichen und ernährungspolitischen Transformationsprozesses zu entwickeln, die den ökologischen wie auch ökonomischen Herausforderungen dieses Transformationsprozesses Rechnung trägt” (https://resilienz-aachen.de/kampagne-mein-teller-entscheidet/).

Eine wesentliche Herausforderung für die Entwicklung regionaler Versorgungsstrukturen erwächst aus den Konzentrationsprozessen im Bereich von Verarbeitung (z.B. Industriemühlen) und Infrastruktur (Großlager, abnehmende Verfügbarkeit von Transportsystemen) sowie dadurch entstehende Marktverschiebungen, hin zu großen Strukturen. Entscheidend für die Realisierung einer resilienten, umweltschonenden Struktur zur Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln sind faire Wettbewerbsbedingungen und die politische und finanzielle Unterstützung von kooperativen Regionalstrukturen – die nicht zu einer weiteren zeitlichen und bürokratischen Belastung der Akteure führt.